„Wake up“ - Einflussfaktoren auf die Intention Jugendlicher für oder gegen eine Stammzellenspende für Leukämieerkrankte Empirische Studien basierend auf der Theorie des geplanten Verhaltens
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PromotionJ.Holzer_12.02.2022.pdf | 13.36 MB | Adobe PDF | View/Open |
Authors: | Holzer, Julia | Supervisor: | Elster, Doris | 1. Expert: | Elster, Doris | Experts: | Dicke, Ursula | Abstract: | Zusammenfassung Ziel dieser Dissertation ist es, die Einflussfaktoren auf die Bereitschaft Jugendlicher, sich für oder gegen eine Stammzellenspende für Leukämieerkrankte zu entscheiden, zu erforschen. Leukämien umfassen Krebserkrankungen des blutbildenden und lymphatischen Systems und können unbehandelt einen tödlichen Verlauf annehmen. Eine Stammzellentransplantation stellt eine kurative Behandlungsoption von Leukämien dar, wenn ein gewebekompatibler Spender*in gefunden wird. Jugendliche sind potenzielle Spender*innen von morgen und soll-ten deshalb über dieses Thema ausreichend informiert werden, um begründete Entscheidun-gen treffen zu können. In der vorliegenden Promotionsarbeit werden drei zentrale Fragestellungen untersucht: 1) Welche Faktoren prägen die Intention, sich als Stammzellenspender für Leukämiepa-tienten zu registrieren? 2) Inwieweit werden Faktoren und Intention durch die selbstentwickelte Unterrichtsein-heit „Wake up“ beeinflusst? 3) Wie kann die Unterrichtseinheit „Wake up“ optimiert werden? Ausgehend von der Theorie des geplanten Verhaltens (TOPB) werden verhaltensbezogene, normative und Kontrollüberzeugungen (indirekte Messung) sowie ihre direkten Maße Einstel-lungen, subjektive Norm und die wahrgenommene Verhaltenskontrolle (direkte Messung) gemessen und zur Klärung der Intention bzgl. der Registrierung als Stammzellenspender*in herangezogen. Ergänzend wird der Einfluss TOPB-modellexterner Konstrukte wie Fachwis-sen, Verpflichtungsgefühl, Selbstbild als Helfer, moralisches Denken und Empathie untersucht. Die Elemente der Unterrichtseinheit „Wake up“ basieren auf den Konstrukten der TOPB und der modellexternen Faktoren. Es handelt sich um eine fünfstündige Unterrichtsinterventi-on gerichtet an Schüler*innen der Sekundarstufe II, die für die Durchführung das fachdidaktische Lehr-Lernlabor Backstage Science (BaSci Lab Biologie) der Universität Bremen besuchen. Die Promotionsarbeit umfasst eine Vorstudie, in der vor allem die indirekten Maße der TOPB untersucht werden und eine Hauptstudie, in der die direkten Maße untersucht und den indirekten Maßen gegenübergestellt werden. Zur Datenerhebung werden Fragebögen im Pre-Post-Design eingesetzt sowie Interviews (Vorstudie) mit Schüler*innen und Lehrer*innen durchgeführt. Zur Datenanalyse werden Regressionsanalysen sowie vor allem t-Tests durchgeführt. Hierbei werden die Ergebnisse aus der Perspektive der Gesamtstichprobe sowie aus der Perspektive der Subgruppen intenders (Personen, die eher zur einer Stammzellenspende tendieren) und non-intenders (Personen, die eher nicht zu einer Stammzellenspende tendieren) berichtet. Die Interviewdaten werden mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet. Die Stichprobe der Vorstudie umfasst 94 Schüler*innen. Die Ergebnisse (Frage 1) belegen, dass vor allem die Kontrollüberzeugungen und das Verpflichtungsgefühl sowie das Fachwissen und die Empathie die Intention signifikant prägen. Insgesamt konnte das erweiterte TOPB-Modell rund 53 % (R2korr. = 0,534) im Pre-Test und 44 % (R2korr. = 0,438) der Intention im Post-Test erklären. Die Unterrichtsintervention (Frage 2) erweist sich als effektiv, da sowohl in den meisten Kon-strukten der TOPB als auch in den meisten modellexternen Faktoren signifikante Zuwächse im Post-Test beobachtet werden. Nach der Intervention steigt die Intention signifikant in der Gesamtstichprobe sowie unter den non-intenders an. Auf der Ebene der Überzeugungen in der Gesamtstichprobe sowie unter den non-intenders und den intenders zeigen die positiven ein-stellungsbezogenen Überzeugungen – diese weisen bereits vor der Intervention eine hohe Ausprägung auf sowie die meisten normativen Überzeugungen keine signifikanten Zuwäch-se nach der Intervention. Die negativen einstellungsbezogenen Überzeugungen werden nach der Intervention sowohl in der Gesamtstichprobe sowie auf der Ebene der Subgruppen abge-baut. Durch die Unterrichtsintervention konnten vor allem viele Kontrollüberzeugungen ge-fördert werden: „Selbstbestimmung“, „Spenden trotz des Aufwandes“, „Gelegenheit ergrei-fen“ „Stammzellenspende ist zeitaufwendig“. Auch in den Subgruppen können einige signifi-kante Zuwächse in diesen Kontrollüberzeugungen beobachtet werden. Es ist hierbei anzumer-ken, dass sich die non-intenders und intenders vor allem in den letzten drei genannten Kon-trollüberzeugungen sowie in der Überzeugung „soziale Unterstützung (unspezifisch)“ signifi-kant im Post-Test voneinander unterscheiden, wobei den non-intenders niedrigere Werte zu-geordnet werden. Das Verpflichtungsgefühl, das Fachwissen, das Selbstbild als Helfer sowie moralisches Denken nehmen nach der Intervention signifikant im Wert zu. Einige modellex-terne Faktoren steigen auch unter den non-intenders und den intenders signifikant an. Empa-thie bleibt in der Gesamtstichprobe sowie in den Subgruppen unverändert. Da sich das Selbst-bild als Helfer bzgl. der Intention als nicht prägend erwiesen hat und sich seine Operationali-sierung als „unpräzise“ im Hinblick auf die Registrierung als Stammzellenspender*in heraus-stellte, wird dieses Konstrukt in der Hauptstudie nicht näher betrachtet. Auf Grundlage der quantitativen Ergebnisse und der qualitativen Befragung der Vorstudie wird die Unterrichtsintervention inhaltlich und methodisch modifiziert (Frage 3). Die Testung in der Hauptstudie erfolgt mit n = 263 Schüler*innen. Ergänzend werden 68 Schüler*innen als Vergleichsgruppe befragt. Um Langzeiteffekte der Unterrichtsintervention zu untersuchen, wird eine Lerngruppe (n = 27) ein Jahr nach der Intervention befragt. In der Hauptstudie werden neben den überzeugungsbasierten Maßen auch globale Konstrukte der TOPB operationalisiert. Weiterhin werden in der Hauptstudie Interaktionseffekte zwischen modellinternen und modellexternen Faktoren des Forschungsmodells in einem explorativen Ansatz untersucht. Die Ergebnisse der Hauptstudie (Frage 1) zeigen, dass die Einstellung, die wahrgenommene Verhaltenskontrolle und zum Teil auch die subjektive Norm als prägende TOPB-Konstrukte identifiziert werden können. Im erweiterten TOPB-Modell können außerdem das Verpflich-tungsgefühl und moralisches Denken (Pre-Test) als prägende Einflussvariablen herausgestellt werden. Wenn die indirekten (52 %; R2korr. = 0,515; Post-Test) und direkten Maße (71 %; R2korr. = 0,710; Post-Test) der TOPB hinsichtlich der Vorhersagekraft der Intention miteinan-der verglichen werden, so liefert die direkte TOPB-Messung eine höhere Erklärungskraft. Der Zuwachs in der Intention wird vor allem durch Zuwächse in Einstellungen (ATT), in der sub-jektiven Norm (SN) sowie der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (PBC) vorhergesagt. Im erweiterten TOPB-Modell erweist sich außerdem die Interaktion zwischen der subjektiven Norm und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle (SN × PBC) und die Interaktion zwi-schen dem Fachwissen und der Einstellung (FW × ATT) als signifikante Prädiktoren der In-tention. In weiterführenden Studien sollte daher in der Intervention stärker auf die eben vor-gestellten prägenden Faktoren der Intention fokussiert werden. Da Empathie und Fachwissen bereits in der Vorstudie ebenfalls als prägende Faktoren der Intention identifiziert wurden. sollten diese auch in weiterführenden Studien berücksichtigt werden. In der Gesamtstichprobe nimmt die Intention im Mittelwert von 3,50 zu 4,52 (7-stufige Likert Skala) zu, wobei sich die non-intenders durch eine stärkere Zunahme in der Intention aus-zeichnen (Frage 2). Auch die globalen TOPB-Konstrukte nehmen in der Gesamtstichprobe und auf der Ebene der Subgruppen nach der Intervention signifikant zu. Die intenders zeigen signifikant höhere Ausprägungen in diesen Variablen als die non-inteders, wobei diese Unter-schiede nach der Intervention geringer werden. Auch auf der Ebene der Überzeugungen können signifikante Veränderungen beobachtet wer-den. Es können vor allem signifikante Zunahmen in Kontrollüberzeugungen-(EF) sowie eine signifikante Abnahme in negativen einstellungsbezogenen Überzeugungen nachgewiesen werden, während in positiven einstellungsbezogenen Überzeugungen sowie in normativen Überzeugungen auf der Ebene der Gesamtstichprobe keine signifikanten Veränderungen beo-bachtet werden. Werden die negativen einstellungsbezogenen Überzeugungen einzeln ange-schaut, so werden die Überzeugungen „Leukämie ist ansteckend“ sowie „Schaden für die Gesundheit“ und „Misstrauen gegenüber dem System der Knochenmarkspende“ am meisten abgebaut. Die Befragten haben nach der Intervention auch weniger Angst vor Schmerzen oder vor „Ohnmachtsgefühl“. Einige Kontrollüberzeugungen, wie z. B. „Wissensstand“ oder „Hel-fen trotz des Aufwandes“ und „Gelegenheit ergreifen“ steigen nach der Intervention signifi-kant an. Die Proband*innen nehmen außerdem den Prozess der Stammzellenspende als weni-ger zeitaufwendig wahr. Die intenders zeigen signifikant höhere Werte in positiven einstel-lungsbezogenen Überzeugungen als die non-intenders. Außerdem werden in negativen über-zeugungsbasierten Einstellung die Unterschiede in allen Überzeugungen deutlich. Hierbei zeigen die non-intenders mehr Ängste bzgl. der Stammzellenspende. Nach der Intervention nehmen die Unterschiede in den negativen und positiven überzeugungsbasierten Einstellungen ab. Während die positiven einstellungsbezogenen Überzeugungen nach der Intervention auch innerhalb der Subgruppen unverändert bleiben, werden die negativen Überzeugungen in beiden Subgruppen nach der Intervention etwa gleich stark abgebaut. Weiterhin zeigen die non-intenders signifikant niedrigere Ausprägungen in normativen Überzeugungen und Kon-trollüberzeugungen als die intenders. Während die Unterschiede in den normativen Überzeu-gungen nach der Intervention etwas abnehmen, bleiben diese in den Kontrollüberzeugungen weitgehend bestehen. Ähnlich wie in der Vorstudie werden nach der Intervention keine signi-fikanten Zuwächse in den normativen Überzeugungen, hingegen in vielen Kontrollüberzeu-gungen innerhalb der Subgruppen beobachtet. Werden die modellexternen Faktoren Verpflichtungsgefühl, moralisches Denken und Fach-wissen betrachtet, so nehmen diese nach der Intervention in der Gesamtstichprobe als auch innerhalb der Subgruppen signifikant zu, während in Empathie keine signifikanten Zuwächse beobachtet werden. Die intenders zeigen dabei signifikant höhere Ausprägungen in modellex-ternen Faktoren (außer bei Fachwissen: Hier liegen keine Unterschiede vor) als die non-intenders. Auch hier werden die Unterschiede im Post-Test geringer. Die Ergebnisse auf der Ebene der Subgruppen belegen, dass die intenders und non-intenders in der Vorstudie sowie in der Hauptstudie anhand der Unterrichtsintervention „Wake up“ erfolgreich gefördert werden die Unterschiede zwischen den Gruppen nehmen nach der Intervention in den meisten Konstrukten ab und die überwiegende Anzahl der Konstrukte nehmen in ihrem Wert insgesamt nach der Intervention zu, wenn auch in zum Teil unterschiedlichem Ausmaß. Aus dem Vergleich der Interventionsgruppe mit der Vergleichsgruppe geht hervor, dass die Gruppen sich nicht signifikant voneinander unterscheiden (außer in Fachwissen und Kon-trollüberzeugungen), sodass ähnliche Wirkungen der Intervention „Wake up“ in vergleichba-ren Gruppen erwartet werden können. In dieser Studie konnten keine Langzeiteffekte der Intervention nachgewiesen werden. Da jedoch die Follow-up-Messung lediglich n = 27 Schü-ler*innen umfasst, könnte die Langzeiteffektivität womöglich in einer größeren Stichprobe beobachtet werden. Dazu wird eine weiterführende Studie angeregt. Um den negativen Über-zeugungen entgegenzuwirken, könnten in weiterführenden Studien die „angenehmen“ Aspek-te des Spendeprozesses stärker hervorgehoben und/oder Bewältigungsstrategien von bestimm-ten negativen Folgen vermittelt werden. Durch den Fokus auf die Risikowahrnehmung seitens der Proband*innen und eine gezielte Gegenüberstellung mit fachlichen Informationen könnten diese höheres Vertrauen bzw. höhere Kontrolle bzgl. der Spende aufbauen, ihre Intention stärken sowie ihre Ängste abbauen. Die qualitative Befragung der Schüler*innen (Frage 3) bzgl. der Konzeption der Unterrichts-intervention „Wake up“ in der Hauptstudie hat eine überwiegend positive Evaluierung erge-ben. Nur wenige Aspekte könnten bei Bedarf bei einer erneuten Unterrichtsdurchführung überarbeitet werden. |
Keywords: | geplantes Verhalten; Verhaltenstheorie | Issue Date: | 28-Sep-2021 | Type: | Dissertation | Secondary publication: | no | DOI: | 10.26092/elib/1428 | URN: | urn:nbn:de:gbv:46-elib57863 | Institution: | Universität Bremen | Faculty: | Fachbereich 02: Biologie/Chemie (FB 02) |
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